«Der Canton Saentis nach seiner einstweiligen Districts Eintheilung Im Julio Ao. 1798». Diese im helvetischen Zentralarchiv (heute: Bestand des online zugänglichen Bundesarchivs) aufbewahrte Karte gibt einen wunderbaren Einblick in die Raumstrukturen der Ostschweiz am Anfang der Helvetik (1798–1803): Unschwer sind die gelb eingezeichneten Grenzen der Distrikte des Kantons Säntis zu erkennen, der die ehemalige Fürstabtei St. Gallen umfasste, die Stadt St. Gallen, die nördlichen Gebiete der ehemaligen Landvogtei Rheintal bis zum Hirschensprung sowie die beiden Appenzell mit den Distrikten Herisau, Teufen, Wald und Appenzell.
Noch besser sichtbar als die Distriktsgrenzen sind die eingezeichneten Strassen und Wege in diesem Gebiet: rot die «Chausseen», grün die «Saumweg» gemäss der Legende oben links. Als Chausseen bezeichnete man besonders im 18. Jahrhundert neuere, mit einer kompletten Linienführung projektierte und nach gewissen Standards ausgebaute Strassen, die insbesondere den Verkehr mit Fuhrwerken und Kutschen aller Art markant verbesserten. Saumwege waren dagegen wegen ihres geringen Ausbaustands meist nur zu Fuss oder mit Reit- und Saumtieren benutzbar.
Die Karte zeigt, zumindest in der Wahrnehmung des Zeichners «L H», dass die beiden Appenzell abseits der ausgebauten Chausseen lagen. Lediglich Schwellbrunn, Herisau und Trogen waren mit Kutschen und Fuhrwerken gut zu erreichen. Deutlich wird auch, dass der innerappenzellische Verkehr zwischen den Landesteilen mangels Verbindungen resp. wegen der schlechten Qualität der Wege stark behindert war. Abgesehen von der Verbindung von Lichtensteig nach Altstätten über Urnäsch, Appenzell und Gais war der Verkehr auf die Stadt St. Gallen ausgerichtet – ein Umstand, der bis heute die Verkehrsverhältnisse in beiden Appenzell prägt.
Im Rahmen des Projektes «Helvetische Strassenenquête» der Universität Bern wurde die Karte digitalisiert und steht zusammen mit einem ganzen Korpus von Textdokumenten sowie weiteren Karten zum Kanton Säntis der Forschung und historisch Interessierten frei zur Verfügung.
Autor: Sandro Frefel, Appenzell