Aus der Schatztruhe. Juli 2018

Ein Medium kam in der Schatztruhe bislang noch nicht zur Sprache: der Film. Auf Memobase lassen sich seit Oktober 2017 auch die digitalisierten «Schweizer Filmwochenschauen» der 1950er Jahre durchsuchen und ansehen. Darunter ist mir ein unterhaltsames Porträt des in Hundwil lebenden «Tierlehrers» Walter Pischl aufgefallen. Er pilgerte in den 1950er Jahren mit seinem VW-Bus mit dem Nummernschild AR 1517 von Ostschweizer Schule zu Schule. Im Beitrag der Filmwochenschau vom 24. April 1959 packt er aus seinen mitgebrachten Holzkisten lebendige «exotische Tiere» — den Mississippi-Alligator «Köbeli», Echsen, Schleichen und Schlangen — aus und führt sie im Schulzimmer den staunenden Kindern vor. Derselbe Walter Pischl — oder «Tierli-Walter» — war es, der 1963 mit seiner Frau Edith Pischl-Linder nach deren Umzug von Hundwil nach Gossau dort den «Walter Zoo»-Verein gründete und die privaten Tiergehege hinter dem Haus zu einem eintrittspflichtigen Zoo ausbaute.

Abbildung: Tiere im Schulzimmer (0866-3), Filmstill, Schweizer Filmwochenschau vom 24.04.1959. >

Autor: Stephan Graf, Basel

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Nachtrag vom 9. September 2018
Der Herisauer AD.-Leser, Komponist und Highmatt-Dichter Stefan Signer hat sich im Film als Zweitklässler wiedererkannt (siehe Abbildung unten) und schreibt dazu: «Der Tierli Walter! Der brachte sehr viel Farbe nach Hundwil. Walter Pischl, seine Frau Edith, die noch in Herisau lebt, und meine Eltern sassen oft zusammen. Meist besuchten sie uns und schauten S/W-TV, da wir schon früh ein solches Gerät hatten: ‹Stahlnetz› (D, 1958) oder ‹So weit die Füsse tragen› (D, 1959); mit Salzbretzeli. Die älteste Tochter Rita (im Stream bei 3:36 sichtbar) spielte mit mir im Sandhaufen. Sie kam mit uns im Diogenes II-Wohnwagen mit in die Ferien nach Via Reggio und Pisa.

Die Pischls kamen aus dem Zirkus. Als ‹Die Waltons› hatten sie dressierte Tiere: die rechnende Hündin Daisy kam nach Hundwil; auch der Löwe Simba, der wie ein Hund an einer Kette an einem Baum vor dem Haus befestigt war. Simba brach immer wieder mal aus, und Walter musste ihn einfangen, was ihm jeweils gelang. Er liess ihn am Schwanz nachziehen, bis er erschöpft war … Dann der salutierende Schimpanse Coco, am gleichen Baum befestigt – und eine halb zahme Krähe, die über dem Hauseingang auf Besucher schiss oder auf dem Pausenplatz im Dorf Butterbrote attackierte.

Erst später gab es Käfige. Erst später entstand die Schultierschau.

Die neusten Tiere, auch eine Boa, präsentierte Walter Pischl immer zuerst in unserer Stube; erst dann ging er runter zum Sonderbach, der nur auf einem Natursträsschen erreichbar war, jedoch nicht im Winter. Auf diesem Strässchen kam Frau Pischl manchmal mit einer Pfanne Gschtell, einem Kalbs-, Herz- und Lungen-Ragout, zu uns rauf, wenn sie für beide Familien gekocht hatte. Meinen Eltern gruselte es, wenn Walter – stehend und mit schmutzigen Händen – von einem Fünfpfünder Laibe abschnitt.

Mein Vater und Walter besuchten jeweils zusammen die Fasnacht. Damals gab es noch Maskenbälle, und die beiden erschienen in kunstvollen Ausstattungen, die ein Theatercoiffeur in Herisau während Stunden aufgebaut hatte. Vater als Bettler mit Spielzeuginstrumenten. Darauf spielte er, während Walter als Chinese Teller auf Bambusstecken jonglierte.»

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